Erfahrungskurvenkonzept: Skaleneffekte erzielen

Erfahrungskurvenkonzept

Steigende Stückzahlen führen zu sinkenden Kosten pro Stück. Das Erfahrungskurvenkonzept unterlegt diesen altbekannten Effekt mit einem statistischen Modell, welches konkrete Vorhersagen über die Stückkostenentwicklung trifft und Unternehmen damit ganz neue Preis-Mengen-Strategien ermöglicht.

 

Das Konzept bildet den Zusammenhang zwischen Absatzerfolg und Produktionskosten ab und wird als Basis für die Strategieentwicklung (Kostenführerschaft / Penetration) genutzt sowie als Ansatzpunkt für Rationalisierungsmaßnahmen im Rahmen aufgezeigter Kostensenkungspotenziale

Skaleneffekte: Sinkende Stückkosten bei steigender Ausbringungsmenge

Kernaussage des Erfahrungskurvenkonzeptes ist, dass eine Erhöhung des eigenen Marktanteils zu steigenden Stückzahlen bei gleichzeitig sinkenden Stückkosten führt. Dieser Ansatz basiert auf der Erfahrung, dass die Stückkosten mit jeder Verdopplung der kumulierten Ausbringungsmenge in der Regel um etwa 20 bis 30 Prozent sinken können.

Der Verlauf der Erfahrungskurve ermöglicht eine langfristige Kostenschätzung und zeigt das Kostensenkungspotenzial auf, das mit zunehmender Ausbringungsmenge erreicht werden kann. Der Erfahrungskurveneffekt stellt sich nicht automatisch ein, vielmehr handelt es sich um identifizierte Kostensenkungspotenziale, die durch entsprechende operative Maßnahmen des Kostenmanagements zu realisieren sind.

Haupteinflussgrößen für das Eintreten des Erfahrungskurveneffekts sind

  • Lerneffekte der gesamten Organisation,
  • Rationalisierungsmaßnahmen,
  • Größendegressionseffekte und
  • Technischer Fortschritt.

Wachstums- und Preisstrategische Implikationen

Gemäß dem Erfahrungskurveneffekt haben diejenigen Anbieter mit dem höchsten Marktanteil das höchste Kostensenkungspotenzial. Die strategische Implikation des Erfahrungskurvenkonzepts ist daher die Übernahme der Marktführerschaft durch Kostenführerschaft. Unternehmen sollten hierzu in Märkten agieren, die eine Ausdehnung der Marktanteile zulasten der Wettbewerber erlauben, oder in Wachstumsmärkte streben, die ein hohes Marktwachstum und Mengenpotenzial versprechen und in denen eine Marktführerschaft möglich ist.

Im Hinblick auf die Preisstrategie besitzt der degressive Verlauf der Erfahrungskurve eine erhebliche Bedeutung, da Preisgestaltung eine indirekte Wirkung auf die zukünftigen Kosten hat. Niedrige Preise erhöhen den Absatz, was wiederum zu einer Produktionssteigerung und gemäß Erfahrungskurvenkonzept sodann zur Reduzierung der Stückkosten führt.

Zur Erreichung des größtmöglichen Nutzens aus dem Erfahrungskurvenkonzept wird häufig die Penetrationsstrategie angewendet. Ziel der Penetrationsstrategie ist die Erlangung eines hohen Marktanteils, die Verdrängung bestehender Wettbewerber aus dem Markt und die Etablierung von Markteintrittsbarrieren für potenzielle Konkurrenten. Der Anfangspreis wird hierzu im Einführungs- und Wachstumsstadium des Produktlebenszyklus unter dem gewinnmaximalen Preis, teilweise sogar unterhalb der Selbstkosten, angesetzt. Das Unternehmen investiert damit in Marktanteile, um die Erfahrungskurveneffekte ausnutzen zu können. Aufgrund des Erfahrungskurveneffektes wird eine Kostenreduktion unterhalb des Marktpreises erwartet, sodass eine Erhöhung des Einführungspreises im späteren Verlauf des Lebenszyklus nicht geboten sein muss. Können gar monopolistische Spielräume, z.B. durch Markentreue oder Verdrängung der Mitbewerber, geschaffen werden, besteht auch die Möglichkeit Preiserhöhungen am Markt durchzusetzen.

Beispiel einer Erfahrungskurve

Bewertung des Erfahrungskurvenkonzepts

Obwohl das Konzept in Theorie und Praxis weit verbreitet ist, nicht zuletzt, da es zu den Grundlagen des Portfolio-Konzeptes der Boston Consulting Group gehört, ist es Gegenstand vielfältiger Kritikpunkte.

Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass die Erfahrungskurve keine generelle Gültigkeit beanspruchen kann, da nicht für alle konkurrierenden Anbieter die gleiche Erfahrungskurve besteht und insbesondere die Höhe des Erfahrungskurveneffektes branchen- und unternehmensspezifisch ist. Zudem wird kritisch darauf hingewiesen, dass die unterstellte Rahmenbedingung einer unbegrenzten Produktionskapazität in Verbindung mit einer unbegrenzten Absatzmöglichkeit in der Praxis nur begrenzt umsetzbar ist.

Darüber hinaus bezieht das Erfahrungskurvenkonzept mögliche Reaktionen von Mitbewerbern sowie die Auswirkungen von Technologie- und Produktinnovationen nicht mit ein, die entsprechende Auswirkungen auf die Erfahrungskurve bzw. die jeweiligen Marktanteile haben können.

Kritisch gesehen wird auch der unterstellte monokausale Zusammenhang zwischen der kumulierten Absatzmenge und der Preisentwicklung, da der Preis nicht das alleinige absatzpolitische Instrument und die Preis-/Absatzentwicklung von mehreren Einflussgrößen abhängig ist.

Weitere Kritikpunkte beziehen sich auf die fehlende Abgrenzung, d.h. auf die Problematik, ob sich die Erfahrungskurveneffekte auf einzelne Produkte, Produktklassen oder Bauteile und Komponenten beziehen, und die Begrenzung des Degressionseffektes auf den Wertschöpfungsanteil, der primär auf dem Produktionsprozess basiert.

Trotz der umfangreichen Kritik liegt die Bedeutung des Erfahrungskurvenkonzepts in der Möglichkeit, die Zusammenhänge zwischen Marktanteil, Marktwachstum, Preispolitik und Erfahrungskurveneffekt zu verdeutlichen und damit die strategische Entwicklung zu unterstützen. Es stellt eine Grundlage für Kosten- und Preisprognosen dar und zeigt Ansatzpunkte für die Formulierung von Handlungsempfehlungen im Rahmen wettbewerbsstrategischer Überlegungen auf.

Autor: Achim Sztuka

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